Kommunalwahl Lübeck 2023: Der Benchmark-Check

Fürters Hintergrund
3 min readMay 29, 2023

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Berühmt-berüchtigt sind die Wahlabende, an denen Vertreter aller Parteien erzählen, warum sie die Wahl gewonnen haben. Ganz so war es am 14. Mai 2023 nicht, als die Ergebnisse eintrudelten. Die Wählergemeinschaft der Unabhängigen beispielsweise hat die Wahl so klar und eindeutig verloren, dass es da wenig zu beschönigen gab. Sie sanken in der Wählergunst von 8,0% auf 2,1%.

Der reine Blick auf die Prozente verstellt den Blick

Aber der reine Blick auf die Prozente verstellt etwas den Blick darauf, wessen Wahlkampf in der Hansestadt wirklich gut und wessen Wahlkampf eher mies gelaufen ist. Das hat folgenden Hintergrund: Für das Hoch und Runter bei der Wahl ist, das wissen alle kommunalen Wahlkämpfer, nicht nur der Wahlkampf vor Ort wichtig. Es geht auch um die bundesweite Stimmungslage und allgemeine Trends, die auf das Wahlergebnis vor Ort abfärben. Auch wenn diese Wahrheit schmerzt: Viele Wähler bei Kommunalwahlen wählen die Partei unabhängig vom örtlichen Programm, von den örtlichen Kandidaten oder gar vom örtlichen Wahlkampf. Wenn die Partei gerade im Bundestrend im Keller liegt, kann dagegen auch der beste Wahlkampf vor Ort wenig ausrichten.

Deshalb wollte ich mit einem Benchmark-Check herausfinden, welche Partei, innerhalb der Vorgabe des allgemeinen Trends in Lübeck am besten abgeschnitten hat und dies zur Vergleichbarkeit ins Verhältnis zu beiden vergangenen Wahlen 2013 und 2018 setzen.

So bin ich vorgegangen: Ich habe für alle drei Wahlen die Ergebnisse der nächstgrößeren kreisfreien Stadt Kiel und der nächstkleineren kreisfreien Stadt Flensburg herangezogen und zudem das letzte Ergebnis der bundesweiten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa vor dem Termin der jeweiligen Kommunalwahl. Aus den drei Werten habe ich einen Mittelwert errechnet und diesen für jede Partei als 100 gesetzt. Hierzu habe ich dann das aktuelle Wahlergebnis in Lübeck ins Verhältnis gesetzt. Wie der Benchmark-Check ausgegangen ist, verrät folgende Tabelle:

Lübeck bleibt Hochburg der SPD

Es zeigt sich, dass die SPD, obwohl sie bei der Wahl auf den zweiten Platz abgerutscht ist, sich mit einer relativen Stärke weiter positiv von der Benchmark abhebt — und zwar durchgängig bei jeder Wahl am deutlichsten von allen Parteien. Die Werte bewegen sich immer im Bereich zwischen 120 und 130 Punkten. Die Wahl 2023 stellt insoweit keinen Ausreißer da. Lübeck bleibt eine Hochburg der SPD, was sich, so meine Prognose, spätestens dann auch wieder in besseren Wahlergebnissen durchschlagen wird, wenn das bundesweite Tief durchschritten ist.

Die CDU hingegen bewegt sich immer in der Nähe ihres Benchmarks. Sie konnte sich gegenüber 2018 verbessern, aber die Abweichungen bleiben gering.

Grüne im Benchmark-Check 2013 am stärksten

Bei den Grünen, die wegen ihrer starken Zuwächse viele als Wahlgewinner sehen, fällt der Benchmark-Check weniger eindeutig aus. Zwar konnte ihr Wert gegenüber 2018 von 91 auf 103 gesteigert werden. Aber an die Wahl 2013 kamen sie bei weitem nicht heran. Wenn man nur auf die Prozentzahlen sieht, war das Ergebnis 2023 für sie besser, aber im Vergleich zum allgemeinen politischen Umfeld schnitten sie 2013 besser ab.

Die Linke sieht sich selbst als Wahlverlierer, weil sie das Ziel mit drei Personen in der Bürgerschaft Fraktionsstärke zu erreichen, nicht erreichen konnte. Aber im Vergleich zu 2018, als sie mit 58 Punkten deutlich von der Benchmark nach unten abwichen, konnten sie sich diesmal wieder annähern (72 Punkte).

Den größten Sprung der verglichenen Parteien aber machte die FDP. Während sie im Jahr 2018 noch 55 Punkte erzielte, reichte es diesmal für 89 Punkte. Trotz des Sprungs ist Lübeck aber noch weit davon entfernt, eine Hochburg der FDP zu werden, was daran abzulesen ist, dass ihr Wert unter 100 und damit hinter SPD, CDU und Grünen bleibt.

Disclaimer: Der Verfasser ist Mitglied der FDP.
Die AfD ist nicht Teil des Vergleichs.
Sie war 2013 in Lübeck noch nicht angetreten.

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Fürters Hintergrund

Thorsten Fürter (53) hat Jura und Journalismus studiert. Er ist Mitglied der Lübecker Bürgerschaft und arbeit als Richter am Oberlandesgericht in Schleswig.